Die Geschichte der Leobener Sozialdemokratie
Der Leobener Weg (gegründet 1889, verboten 1934, wieder gegründet 1945, erfolgreich für Leoben bis heute)
Bericht: Kulturreferent GR Mag. Johannes Gsaxner
Bescheidene Anfänge
Im Juni 1889 demonstrierte überraschend eine Gruppe von 400 Arbeitern vor der Direktion der Österreichisch-Alpine-Montangesellschaft in Donawitz und verlangte sofortige 15-prozentige Lohnerhöhung, Änderung der Auszahlungsmodalität, sowie achtstündige Arbeitsdauer am Samstag. Die Forderungen wurden von der Werksleitung der Alpine nach kurzer Zeit erfüllt.
Eine Organisation der Sozialdemokratie entstand allerdings erst im Zuge des Streiks der Bergarbeiter im Seegrabener Revier 1889.
Durch diesen Ausstand wurde der 8-Stunden-Tag eingeführt, was erst 30 Jahre später gesetzlich verankert wurde. Zu diesem Anlass war auch der Begründer der österreichischen Sozialdemokratie, Dr. Victor Adler, in Leoben.
Schrittweise wurde dann eine schlagkräftige und einheitliche Organisation in Leoben etabliert.
In den Wirren der Ersten Republik
Auch in Leoben war die Sozialdemokratie nach dem Ersten Weltkrieg zur stärksten Kraft bei den ersten freien und gleichen Wahlen aller Männer und Frauen am 16. Februar 1919 geworden. Dies zeigen die Gemeinderatswahlen am 27. Juli 1919, aus denen die Sozialdemokratische Arbeiterpartei als stärkste Fraktion hervorging. Erster frei gewählter Bürgermeister war der Sozialdemokrat Hans Primus. Die frühen Jahre der Ersten Republik waren geprägt vom Kampf für weitere soziale Verbesserungen für die Leobener bzw. Donawitzer Arbeiterschaft. Aufgrund der dominierenden und monopolhaften Stellung der ÖAMG war dieser immer wieder von Rückschlägen begleitet. Das allgemeine Elend der Industriearbeiter verschärfte sich nach dem „Schwarzen Freitag“ 1929 noch weiter. Im Seegrabener Revier war die Abbauquote um die Hälfte gesunken, 70% der Arbeiter waren ohne Beschäftigung. An ihre Stelle traten oftmals ausländische Hilfskräfte, die bereit waren, ohne Kollektivvertrag und ohne geregelte Arbeitszeiten zu schuften. Wer sich der Unternehmenspolitik nicht anpasste, lief Gefahr, neben dem Beruf auch die Werkswohnung zu verlieren.
Untergrund und Exil
Gegen diese Missstände wollten die obersteirische Arbeiterschaft bzw. der regionale Schutzbund ankämpfen. Ein bekannter Leobener Widerstandskämpfer war Fritz Inkret, der später SPÖ-Gemeinderat war und sich bis zu seinem Tod für das Erinnern einsetzte. Viele Angehörige des Schutzbundes kämpften im Februar 1934 tapfer und mutig gegen die überlegenen Bundesheer- und Gendarmerieeinheiten bzw. die Heimwehr an. Der letztlich aussichtslose Kampf endete mit der Hinrichtung der Brucker Arbeiterführers Koloman Wallisch und mehrerer Weggefährten im Hof des Kreisgerichts Leoben (heute LCS). An den Märtyrer der obersteirischen Arbeiterbewegung erinnern heute ein Platz und ein Denkmal in der Nähe seiner Hinrichtungsstätte.
Sowohl in der Zeit des Austrofaschismus, als auch im „Dritten Reich“ setzte die Leobener Arbeiterbewegung ihren Widerstand für Demokratie und Freiheit fort. Erwähnenswert sind vor allem eine Widerstandsgruppe innerhalb der Leobener Eisenbahner, als auch die „Partisanengruppe Donawitz“. Beide leisteten aktiven Widerstand gegen das NS-Regime. Zahlreiche Widerstandskampfer wurden von den Nationalsozialisten ermordet.
Neubeginn in rot
Schon in den letzten Kriegstagen 1945 gelang es, die Leobener SPÖ neu zu etablieren.
Die Geschichte der Sozialdemokratischen Bewegung in der Stadt Leoben ist gleichzeitig die Geschichte der Politik in der Stadtgemeinde Leoben, wo die SPÖ seit 1945 mit einer absoluten Mehrheit gestaltet. Zunächst war die SPÖ in sechs Ortsorganisationen gegliedert (Stadt, Judendorf, Leitendorf, Göß, Donawitz, Hinterberg), die im Gemeinderat gemeinsam als SPÖ-Fraktion vertreten waren. Die politischen Errungenschaften, die aus einer grauen Industriestadt mit verarmten Arbeitern eine blühende Metropole an der Mur machten, sollen hier nur stichwortartig angeführt werden:
1945: Gottfried Heindler wird neuer Bürgermeister und Stadtparteivorsitzender
Vereinheitlichung und Ausbau der kommunalen Infrastruktur der ehemals selbstständigen Gemeinden Leoben, Donawitz, Göß (schon 1939 zusammengelegt).
Maßgebliche Projekte: Linderung der riesigen Wohnungsnot (sozialer Wohnbau am Lerchenfeld, Leitendorf, Göß), Bau von Sozialeinrichtungen (Stadionbad in der Au, Sportstätten, Altenheim), Bau von neuen und modernsten Schulen und Kindergärten – endlich gute und gleiche Bildung für alle Bevölkerungsschichten!
Wohlstand für alle
1965: Dir. Leopold Posch wird neuer Bürgermeister und Stadtparteivorsitzender
Waren die ersten 20 Jahre nach dem Kriege eine Zeit des Aufbaues, konnte man nun die Früchte des „kleinen Wirtschaftswunders“ ernten. Die Stadt Leoben offerierte zahlreiche neue Angebote für alle Bevölkerungsschichten: Hochkarätige Kulturveranstaltungen, Feste und Umzüge, weitere Sportstätten, Altenurlaube, sozialer Wohnbau (genossenschaftlicher und gemeindeeigener Wohnbau). Die letzten Wohnbaracken verschwanden.
Leoben war ab 1980 auch Vorreiter beim Umweltschutz: Flächendeckende Kanalisierung, vollbiologische Kläranlage, erfolgreiche Ablehnung einer Müllverbrennungsanlage für den Grazer Hausmüll.
Maßgebliche Projekte: Neues Rathaus, neue Schulen und Kindergärten (Göß, Judendorf, Stadt), Hallenbad, Seniorenwohnhäuser, Sporthalle Donawitz, sozialer Wohnbau (Lerchenfeld, Judendorf), Straßenbau, Gehwege, öffentliche Beleuchtung, flächendeckende Versorgung mit reinstem Quellwasser.
Umbrüche und Aufbrüche
Der tiefgreifende Strukturwandel der Stadt Leoben ab Mitte der 1980er Jahre (Krise der Verstaatlichten Industrie, Abwanderung, Veränderungen im Sozialgefüge) stellte die Leobener SPÖ vor große Herausforderungen: Es galt nun, die Stadt neu auszurichten – weg von der Industriestadt, hin zu neuen Perspektiven. Welchen?
1985: Dir. Reinhold Benedek wird neuer Bürgermeister und Stadtparteivorsitzender
Ab 1990 beginnt eine vertiefte Zusammenarbeit mit der Montanuniversität Leoben – Leoben wird zum Wissenschaftsstandort von Weltruf.
Mit der Etablierung des „Congress Leoben“ beginnt eine Entwicklung, die Leoben im Tourismus weit vorwärtsbringt. Besonderer Motor dieser Entwicklung war die Eröffnung des „Asia Spa“ samt Hotel im Jahre 2010. Von praktisch keinen Übernachtungen 1985 stiegen die Zahlen auf mehr als 100.000 heute. Dieser Weg wird in den kommenden Jahren fortgesetzt.
1994: Dr. Matthias Konrad wird neuer Bürgermeister und Stadtparteivorsitzender
Es beginnt ein Feuerwerk an Reformen und Neuerungen.
Maßgebliche Projekte: Neuer Schwerpunkt „Kultur“: In Leoben finden Großausstellungen von internationaler Bedeutung statt. Neuer Hauptplatz: Gegen alle Widerstände wird er zur Fußgängerzone und zum „Wohnzimmer der Leobener“. Vorbild für zahlreiche Mittelstädte!
Bau des Asia Spa: Der entscheidende Meilenstein im Tourismus, Errichtung des LCS: Leoben wird Handelsstadt, massive Expansion der Montanuniversität
Auf sicherem Kurs in die Zukunft
2010 werden die sechs Leobener SPÖ-Ortsorganisationen (Stadt, Judendorf, Leitendorf, Göß, Donawitz, Hinterberg) zur neuen SPÖ-Stadtpartei Leoben vereint. Matthias Konrad bleibt Vorsitzender, geschäftsführender Vorsitzender wird Kurt Wallner
2014: Kurt Wallner wird neuer Bürgermeister und Stadtparteivorsitzender
Die Leobener Sozialdemokratie muss sich einer zunehmend heterogener werdenden Gesellschaft stellen: Die „sozialen Medien“ stellen das Individuum mehr in den Mittelpunkt, der Gemeinschaftsgedanke wird schwächer.
In diesen Zeiten gilt es, Einzelinteressen zu berücksichtigen und trotzdem das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.
Maßgebliche Projekte: Vollständige Sanierung und Schaffung der Bildungszentren Innenstadt und Pestalozzi. Zwei Bildungsstätten mit Volks- und Mittelschulen, sowie der Polytechnischen Schule, gestaltet nach modernsten pädagogischen Gesichtspunkten, sind entstanden. Modernisierung von Kindergärten und Schaffung neuer Kinderkrippen, Planung einer weiteren Kinderkrippe an einem neuen Standort. Errichtung der neuen Sporthalle Innenstadt. Deutliche Aufwertungen und Schaffung von Sport- und Bewegungsmöglichkeiten in der ganzen Stadt.
Glanzstück: Der neue Geh- und Radweg Leitendorf-Hinterberg. Ausbau des (im Endziel gesamten) Murraumes als Naherholungsgebiet (neue Geh- und Radwege, Sport- und Bewegungsmöglichkeiten, Ufergestaltung), Bau der Proleber Brücke, Sanierung der Kerpelystraße, Startschuss zum „Congress Leoben“ neu: Nach vielen Jahren verschwindet die verfallene Rathauspassage, der baufällige Congress wird als „Livecongress“ völlig neu aufgestellt. Planungen für die Sanierung des Hauptplatzes (Austausch der defekten Bodenplatten), Vision der Innenstadt als Begegnungszone (Planungen laufen)
Abgeordnete der Leobener Stadtpartei zu gesetzgebenden Körperschaften:
Bund:
Emmerich Frömel, Nationalrat (1945-1966)
Max Jessner, Nationalrat (1956-1966)
Karl Troll, Nationalrat (1966-1977)
Leopoldine Pohl, Bundesrätin (1961-1988)
Adolf Fauland, Nationalrat (1977-1990)
Kurt Wallner, Nationalrat (1990-1999)
Waltraut Hladny, Bundesrätin (2004-2010)
Birgit Sandler, Nationalrätin (2017-2019)
Land:
Adalbert Sebastian, LAbg., Landesrat (1949-1970), Landeshauptmann-Stv. (1970-1980)
Johann Fellinger, Landtagsabgeordneter (1957-1975)
Johann Kirner, Landtagsabgeordneter (1975-1988)
Dir. Siegfried Ussar, Landtagsabgeordneter (1988-2000)
Dr. Anna Rieder, Landesrätin (1994-2000), 2. Landtagspräsidentin (2000-2005)
Erich Prattes, Landtagsabgeordneter (2000-2010)
Helga Ahrer, Landtagsabgeordnete (seit 2015)
Anton Lang, Landtagsabgeordneter, Landesrat (2010-2019), Landeshauptmann-Stv. (seit 2019)
Vorsitzende der Stadtpartei Leoben:
Gottfried Heindler (1945-1960)
Leopold Posch (1960-1986)
Reinhold Benedek (1986-1995)
Dr. Matthias Konrad (1995-2014)
Kurt Wallner (seit 2014)